Herausforderung Lehrausbildung - Was Lehrlinge sich wünschen

Artikel von Gernot Schneebauer
Lehrjahre sind keine Herrenjahre – ein Sprichwort, das im deutschsprachigen Raum gemeinhin bekannt sein dürfte. Und es stimmt – an Wert gewinnen Dinge, die man sich erarbeitet hat. Manchmal muss man wohl oder übel auch mal den Kopf gegen den Wind halten und eine Extrameile gehen, damit sich der Erfolg und die Zufriedenheit einstellt. Eine Tatsache, der sich der „gstandene“ langjährige Mitarbeiter eines Unternehmens aufgrund der eigenen Erfahrung und des verinnerlichten Wissens über Arbeitsprozesse zumeist sehr bewusst ist.
Aus der Sicht eines Lehrlings
Genau deshalb lohnt es sich aber auch, hier regelmäßig die Perspektive zu wechseln. Die Welt eines Lehrlings sieht nämlich anders aus. Mit dem Verlassen der Schule verändert sich für sie/ihn eine ganze Menge.
Wir fragen nach
Wir machen das gerne. In mittlerweile fast 16 Jahren haben wir jährlich mit Lehrlingen aus den unterschiedlichsten Branchen zu tun. Über 8.000 Lehrlinge haben unsere Lehrlingscolleges besucht und immer wieder fragen wir sie:
- Was sind eure größten Herausforderungen?
- Rückblickend - Was hättet ihr euch gewünscht?
- Und was ist eigentlich so richtig gut an eurer Entscheidung eine Lehre zu machen?
Die Antworten der Lehrlinge haben auch dieses Jahr in eine ähnliche Kerbe geschlagen, wie schon die vergangenen Jahre zuvor auch.
Veränderung
Eine große Herausforderung für junge Menschen ist in dieser Zeit vor allem die enorme Veränderung, die eine Lehre in ihrem Leben mit sich bringt.
- Ist man erst Jahre im Berufsleben, so kann man schon einmal vergessen, wie es sich anfühlt, wenn plötzlich ein großer Teil an Freizeit wegfällt.
- Wie es sich anfühlt, plötzlich allein verantwortlich zu sein für Arbeiten, die man übertragen bekommt.
- Wie es sich anfühlt, irgendwo ganz neu ganz von vorn anzufangen.
- Was sind die Erwartungen an mich. Wie soll ich mich verhalten?
- Wie es sich anfühlt, plötzlich aus dem bisher gewohnten Umfeld einer Klassengemeinschaft gerissen zu werden und einer Reihe an neuen Kolleg:innen und Vorgesetzten gegenüber zu stehen.
- Und wie es sich anfühlt, plötzlich jeden Tag Leistung und den Erwartungen gerecht werden zu müssen. Und das 8 Stunden am Tag. 5 Tage die Woche. Da geht es plötzlich echt um was. War in der Schule nicht so streng.
Vergessen wir nicht, dass jugendliche Gehirne ein seltsames Schlafverhalten an den Tag (die Nacht) legen und sich ein Arbeitsbeginn um 7:00 Uhr für den einen oder anderen Lehrling wie pure Folter anfühlt.
Fragen und Unsicherheiten
Für frischgebackene Lehrlinge ändert sich schon eine Menge in einer Zeit, in der junge Menschen ohnehin damit beschäftigt sind, ihren Platz in der Welt zu finden.
Auch Lehrlinge im zweiten und dritten Lehrjahr müssen sich täglich ihren Fragen und Unsicherheiten stellen. Ist der Umstieg vom Schüler/ von der Schülerin zum Lehrling erst einmal vollzogen, tun sich automatisch neue Fragen auf.
- Der Welpenschutz ist weg, was heißt das jetzt für mich?
- Welche Rolle nehme ich in dem Unternehmen ein, in dem ich arbeite?
- Wo möchte ich hinkommen?
- Was kann ich schon und was brauche ich noch?
- Werde ich den Erwartungen meiner Umwelt gerecht?
- Lehrabschlussprüfung – wie wird das für mich sein?
- Und was ist danach? Kann ich bleiben und wenn ja, wo geht die Reise hin?
Was hätten sich die Lehrlinge anders gewünscht?
Die Antworten sind in den letzten Jahren auch immer dieselben:
- Bessere und ausführlichere Erklärungen (Gesellen und AB erwarten, dass man schon alles kann). Oft ärgerliche Reaktionen und Ungeduld, wenn man etwas nicht gleich beim ersten Mal perfekt kann oder weiß
- respektvoller Umgang. Auch als Mensch gehen werden
- Alle Bereiche von Ausbildungsplan lernen
- Mehr Verständnis von den KollegInnen
- Offener Umgang
- Auch mal zu hören, was man gut gemacht hat, und nicht nur welche Fehler bzw. was nicht gut war
- Weniger Vorurteile an unsere Generation (faul, nur am Handy, etc.)
Bezugspersonen in der Arbeit
Für eine gelungene Lehrzeit und einen sicheren Start ins Berufsleben braucht es für all diese Fragen Ansprechpartner:innen. Im Unternehmen sind das häufig die Gesellen oder Ausbilder:innen.
Gute Ausbilder:innen verstehen die Gratwanderung für ein „zielgruppengerechtes“ Anleiten und Vermitteln der Fertigkeiten, die das jeweilige Jobprofil erfordert. Lehrlinge wünschen sich ein Arbeitsumfeld, in dem sie sich je nach persönlichem Entwicklungslevel sicher und wertgeschätzt bewegen können.
Je mehr Personen es in einem Unternehmen gibt, die helfen diese Fragen zu beantworten, desto leichter sind ist es für die Lehrlinge, diese Herausforderungen zu bewältigen.
Gelungene Lehrjahre
…vergessen wir an dieser Stelle aber nicht, dass die Lehrlinge auch immer wieder von schönen Erfahrungen berichten. Es gibt sie – die unzähligen Erfolgsstorys von richtig gelungener Lehrzeit.
- Da ist dieses wichtige Gefühl, ein wertgeschätzter Teil eines Ganzen zu sein
- Einen engagieren Person, welche die Lehrlingsausbildung ernst nimmt und sich mit Herz um die Jugendlichen kümmert
- Auch junge Menschen erfreuen sich an den Ergebnissen ihrer Arbeit
- Eine qualitativ hochwertige Lehre schafft Zuversicht für die Zukunft
- Vergessen wir nicht: Keine Hausübungen mehr
- Gehalt, Firmenfeiern, Ausflüge, etc